Veranstalter: Deutscher Städte- und Gemeindebund Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V.

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STATEMENT ZUR ENERGIE- UND UMWELTPOLITIK

Von Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Energiewende nur mit Städten und Gemeinden!
Umsetzung mit Transparenz und Ehrlichkeit

Die Energiewende kann nur mit den Kommunen, ihren Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft gemeinsam umgesetzt werden. Alle Akteure müssen zusammenarbeiten: Die Stadtwerke, die großen Energieversorger, die Kommunen und die Bürger. Den Städten und Gemeinden kommt eine besondere Rolle zu. Denn hier müssen die alternativen Energien angesiedelt werden, hier müssen die Stromtrassen gebaut, die Infra- und Speicherstruktur geschaffen werden und hier wird der Strom verbraucht. Erforderlich sind daher eine enge Einbindung der Kommunen und eine Stärkung ihres Handlungsspielraumes.

Die Zukunft der Energieversorgung und –erzeugung ist dezentral

Damit die Energiewende ein Erfolg wird, werden wir alle Ressourcen der alternativen Energieerzeugung mobilisieren müssen. Hier darf jedoch kein Missverhältnis zwischen zentralen, großindustriellen Anlagen und dezentralen Anlagen von Privaten, Stadtwerken, interkommunalen Gemeinwerken oder Bürgerkraftwerken entstehen. Wenn die Energie vor Ort mittels Windkraft, Solarkraft oder Biogas erzeugt wird, kann dabei zusätzlich die entstehende Wärme - im Gegensatz zur Energieerzeugung durch Großanlagen – unmittelbar vor Ort mit genutzt werden.

Erneuerbare Energien als tragende Säule der Versorgung

Die geplanten Gesetze müssen daher die kommunalen Belange noch stärker in den Fokus nehmen. Neben der Off-Shore Windenergie ist auch die Windkraft auf dem Land zu nutzen und eine ausreichende Förderung dieser unabdingbar. Hierzu gehört die Ausschöpfung der vorhandenen Potenziale durch den Austausch älterer durch neue, leistungsstärkere Windkraftanlagen, dem sogenannten Repowering. Auch die Windkraft im Wald sollte verstärkt genutzt werden. Die dezentrale Lage, die Entfernung zur Wohnbesiedlung und das bereits bestehende forstwirtschaftliche Wegenetz bieten die Chance, diese Energiequelle möglichst störungsfrei zu erschließen. Durch die Einbettung in die Waldkulisse kann die optische Wahrnehmung zumindest teilweise abgeschwächt werden. Der Ausbau darf allerdings nicht zu einem „Wildwuchs“ im Walde führen und muss im Konsens mit den Bürgern erfolgen.

Die Privilegierung großer Biomasseanlagen zu Lasten der kleineren und mittleren, die an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sind, ist nicht zielführend. Mit Blick auf die mit steigender Größe verbundenen erheblichen Belastungen für die Anwohner ist mit großen Widerständen vor Ort zu rechnen.

Weitgehend ungenutzt ist bisher das Potenzial von Photovoltaikanlagen auf Freiflächen. Es ist nicht ersichtlich, warum ausschließlich Anlagen auf Konversionsflächen vergütet werden. Die Photovoltaikförderung auf Acker- und Grünlandflächen sollte gezielt ermöglicht werden. So könnte bereits in zwei bis drei Jahren Strom auf dem Kostenniveau von Offshore-Windkraft erzeugt werden, ohne dass ein aufwändiger Ausbau der Höchstspannungsstromnetze nötig wäre. All dies wird die Monopolstruktur auf dem Energieversorgungsmarkt ändern und zu mehr Wettbewerb führen.

Intelligente Stromnetze schaffen

Damit wir die alternativen Energien auch nutzen können, muss das Stromnetz den neuen Bedürfnissen angepasst und schnellstmöglich ausgebaut werden. Ca. 80 Prozent der erneuerbaren Energien können auf der Ebene der Verteilnetze eingespeist werden. Dies erfordert erhebliche Investitionen der Stadtwerke als Verteilnetzbetreiber vor Ort. Der Ausbaubedarf der Fernleitungstrassen lässt sich auch durch Förderung von Speichertechnologien und nicht zuletzt durch die Steuerung der Nachfrage insbesondere durch intelligente Stromnetzte („Smart Grids“) reduzieren. So macht diese Verknüpfung von Erzeugern, Verbrauchern und Speichern über das Internet eine angebotsorientierte Steuerung von Stromverbrauchern möglich. Grundvoraussetzung hierfür ist eine lückenlose Anbindung aller Städte und Gemeinden - auch im ländlichen Raum - an schnelle Internetverbindungen und eine Absicherung der den Gemeinden zustehenden Konzessionsabgaben.

Ehrliche Debatte beim Netzausbau

Energiepolitik der Zukunft bedeutet auch Konsens unter Bürgerbeteiligung. Bezüglich der zudem erforderlichen Höchstspannungsstromleitungen sowie damit verbundener Fragen der Erdverkabelung, der landschaftlichen Beeinträchtigungen, Pflege und Kosten brauchen wir eine gesellschaftliche Diskussion, was geleistet werden kann, was gewünscht und was akzeptiert wird. Eine beschleunigte Planung kann nur gelingen, wenn die Planungshoheit der Städte und Gemeinden als bürgernächste Ebene auch beim Netzausbau umfassend gewährleistet ist und die kommunalen Belange voll inhaltlich berücksichtigt werden.

Bürgerbeteiligung modernisieren

Um jahrelange Verzögerungen bei der Planung und beim Bau zu vermeiden, sind eine aktive Informationspolitik und eine frühzeitige Beteiligung der Bürger bei den Planungsvorhaben notwendig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern in vielen Fällen nicht wahrgenommen werden und die Gefahr späterer Protestbewegungen entsteht, welche den Prozess verzögern. Wenn sich die Sprache der Bürger verändert und die traditionellen Spielregeln kaum noch akzeptiert werden, müssen wir diese anpassen. Hier sind besonders die Planungsträger gefordert. Aktive Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von privaten Akteuren wie Wirtschaft und Handel führt zu einer stärkeren Identifikation, Akzeptanz und Durchsetzung von Entscheidungen. Dies bedingt aber auch, dass die Beteiligung nicht auf die unmittelbar Betroffenen beschränkt wird und sich die Beteiligungsformen an Allgemeinwohl dienenden Zielen orientieren.

Planungs- und Gerichtsverfahren straffen

Gleichzeitig müssen die Verfahren beschleunigt werden. Planungsprozesse selbst bei Großprojekten von fünfzehn Jahren (Stuttgart 21) sind nicht akzeptabel. Ebenso sind die gerichtlichen Verfahren zu straffen. Hier könnten neben einer Reduzierung des Instanzenzuges auch beschleunigte Gerichtsverfahren für Großprojekte mit gesonderten Spruchkammern geschaffen werden, die in vorgegebenen Höchstfristen entscheiden.

Speicherinfrastruktur ausbauen

Die Speicherinfrastruktur wird künftig ein wichtiger Teil der systemischen Bereitstellung von Energie sein. Hier ist auch die Elektromobilität ein wichtiger Baustein insbesondere bezüglich der Speicherungsmöglichkeiten. Die Umsetzung der Ziele der nationalen Strategie zur Förderung von Elektromobilität ist ohne Mitwirkung der Städte und Gemeinden nicht möglich. So sind beispielsweise neue Lade-Infrastrukturen für Batterien aufzubauen. Dazu müssen den Kommunen entsprechende Mittel bereitgestellt werden.

Akzeptanz schaffen – Kommunen an Wertschöpfung beteiligen

Die Städte und Gemeinden müssen an der Wertschöpfung der Energieerzeugung und des Netzausbaus beteiligt werden. Den Bürgern wird schwer zu vermitteln sein, warum sie Einschnitte in ihrer Landschaft durch Stromtrassen, Biogasanlagen und Windräder hinnehmen sollen, aber ihrer Stadt das Geld für den Kita-Ausbau und zum Stopfen der Schlaglöcher fehlt. Wenn der öffentliche Nahverkehr nicht adäquat vorgehalten werden kann, aber Einzelne mit der Energieproduktion viel Geld verdienen, wird dieses auf Widerstand stoßen.

Eine steigende Anzahl von Gemeinden und ganzen Regionen deckt zudem ihren eigenen Energiebedarf bereits zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen und sichert zugleich Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort. Kommunen, die sich in dieser Weise engagieren, müssen aber auch im Interesse ihrer Bürger an der Wertschöpfung aus der Energieerzeugung und dem Netzausbau angemessen beteiligt werden.

Energieeffizienz weiter verbessern

Die beste Energie ist diejenige, die eingespart und gar nicht erst produziert wird. Potential zur weiteren Verbesserung der Energieeffizienz besteht insbesondere im Bereich des Städtebaus. Ökonomische Anreize zur Gebäudesanierung sind weiter zu verbessern. Auf den Gebäudebereich entfallen rund 40 Prozent des deutschen Energieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen. Zudem sind die Energiekosten für die Kommunen neben Sozialausgaben, Personal und Zinsen mit 2,5 Mrd. Euro pro Jahr ein wichtiger Faktor. Bei den rund 176.000 kommunalen Gebäuden gibt es noch eine Steigerung der Energieeffizienz von 60 Prozent. Bereits heute unternehmen die Städte und Gemeinden immense Anstrengungen, ihren Gebäudebestand energetisch zu sanieren, um so den Energieverbrauch weiter einschränken zu können. So werden langfristig nicht nur finanzielle Mittel frei, sondern gleichzeitig ein wichtiger Beitrag in Sachen Klimaschutz geleistet. Auch die energetische Sanierung des Gebäudebestands wird nicht allein über Steuererleichterungen, die nicht die Kommunen belasten dürfen, sondern nur über eine direkte finanzielle Unterstützung erreichbar sein.

Preisstabilität und Wettbewerbsfähigkeit sichern

Eine schnelle und zudem bezahlbare Energiewende bei gleichzeitiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit geht nicht zum Null-Tarif. Verbraucher, Kommunen und Unternehmen dürfen aber nicht durch zu hohe Energiepreise überfordert werden. Erforderlich sind Transparenz und Ehrlichkeit in der Debatte. Staatliche Subventionen für erneuerbare Energien müssen deshalb regelmäßig in einem transparenten Verfahren überprüft werden, um einen möglichst effizienten Mitteleinsatz zu gewährleisten. Gleiches gilt für die im Netzbereich anfallenden Kosten durch notwendige Investitionen in die Energieverteilnetze zur Integration der erneuerbaren Energien und für die Kosten des Ausbaus der Übertragungsnetze.

Mit der Energiewende verbundene Mehrkosten müssen gerecht verteilt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist zu beachten. Wir brauchen eine Energiewende mit Augenmaß. Nach dem Grundsatz der gleichwertigen Lebensbedingungen muss ein gespaltener Strompreis Stadt/Land ausgeschlossen werden.

Sachverständigenrat Energiewende etablieren

Um widersprüchliche Rahmenvorgaben zu vermeiden, sollte die Energiekompetenz auf Bundesebene an einer Stelle gebündelt werden und nicht auf verschiedene Ressorts (Umwelt, Wirtschaft, Bau und Verkehr) verteilt bleiben.

Nach dem Vorbild der Elektromobilitätsplattform des Bundeswirtschaftsministeriums sollte eine Plattform zur Energiewende geschaffen werden. Diese sollte beim Bundesumweltministerium angesiedelt sein, um ein Forum zur Zusammenarbeit mit den zentralen Akteuren wie den Städten und Gemeinden zu bieten.

Zusätzlich ist die Einrichtung eines unabhängigen Sachverständigenrates „Energiewende“ notwendig. Er sollte jährlich dem Parlament und der Regierung einen Bericht erstatten, aus dem sich der Umsetzungsstand ergibt. Zudem könnte diese Kommission Vorschläge zur Beseitigung von Hemmnissen unterbreiten und Ansätze zu gesetzgeberischen Nachbesserungen entwickeln.

Berlin, 14. Juli 2011